Die NRZ berichtet

NRZ Lokalredaktion Kleve berichtet in der Ausgabe vom 13.09.2018:

Flüchtlinge – Bedburg-Hau ist aufgeschlossen

Schon seit 25 Jahren ist der Ausländerinitiativkreis Bedburg-Hau, kurz AIK, aktiv. Gefeiert wird am Freitag, dem 28.09.2018 im Garten des Loosenhofs.

Zwei Frauen aus der Pfarrcaritas hatten 1993 ein Schlüsselerlebnis, als sie eine bosnische Familie in ihrer Notunterkunft besuchten. Schnell wuchs der Kreis der Engagierten um Helga Rogosch (bis 2016 aktiv) und Annegret Ries (immer noch dabei). Sie begleiteten Ausländer zu Ärzten und Behörden, gaben Tipps, sammelten Material für Schulunterricht. Gerd Timmer, seit 19 Jahren im AIK, schildert, wie kämpferisch der AIK die Parteipolitiker überzeugen musste, nach Lebensmittel-Bestellscheinen und Sachleistung mit Ausweiskontrolle an der Kasse – „diskriminierend“ – den Flüchtlingen Bargeld zum Leben zu geben.

Waren die elf Ehrenamtler anfangs für rund 50 Flüchtlinge da, kamen Ende 2015 plötzlich 250 Menschen auf einmal aus den Krisengebieten Syrien, Eritrea, Somalia und Afghanistan. Der Runde Tisch bei der Gemeinde rief zu mehr bürgerschaftlichem Engagement auf und 80 Freiwillige folgten dem Appell.

Der AIK organisierte sich neu, mit Leitungsteam und Koordinatoren für Patenschaften, Sprachförderung, Beratung, Freizeitgestaltung, Kleiderstube, Lesestunden, Nähstube, Möbel/Fahrräder, Begegnungscafé, Kochtreff und Organisation. Träger ist die Katholische Kirchengemeinde Heiliger Johannes der Täufer Bedburg-Hau. Die Ehrenamtler setzen sich für eine lebendige Willkommenskultur für Ausländer, insbesondere Kriegsflüchtlingen und Asylbewerber und ihre Integration in Bedburg-Hau ein. Fremdenfeindlichkeit und Rassismus seien kein Problem, bekräftigt Timmer. „Von dem deutschen Trend ist bei uns absolut nichts zu merken“, ist Mitwirkender Frank Torhoff erleichtert.

Vorteil sei, dass die Gemeinde klein ist. Jeder hat jemanden in Familie oder Bekanntenkreis, der in der AIK aktiv ist. „Der Chef vom Ordnungsamt kennt jeden Flüchtling mit Namen“, ergänzt Annegret Ries. Vielleicht auch, weil man am Standort der Landesklinik toleranter ist als anderswo. Hilfe zur Selbsthilfe wirkt.

„Bedburg-Hau ist aufgeschlossen“, sagt Gertraud Gleichmann, die Integrationsbeauftragte der Gemeinde. „Beim Ordnungsamt sind immer schon originelle Menschen aufgeschlagen, da haben die kein Problem mit,“ lächelt sie. Auch die Flüchtlinge trügen selbst zum freundlichen Umgang bei. „Sie leben nicht in ihrer ethnischen Blase. Der Syrer hilft der Georgierin beim Umzug“, beschreibt sie. „Und unsere beiden Hausmeister ersetzen einen Sozialarbeiter“, verrät Gleichmann.

Heute sind noch 45 Personen im AIK tätig. Manche Ehrenamtlichen wurden einfach müde, andere haben private Krankheitsfälle zu betreuen, weiß Annegret Ries. Und: „Hilfe zur Selbsthilfe wirkt. Das sind Früchte, die man erntet.“.

Fast täglich laufen Angebote in den beiden Räumen, die die Gemeinde dem AIK in Haus 10 am Nördlichen Rundweg im LVR-Gelände zur Verfügung stellt. Deutsch- und Alphabetisierungskurse, Nähen, Beratung zu Asylverfahren und Behördenangelegenheiten oder mal Kaffeetrinken bei Charlotte Tripp.

Die Bürger geben in der Kleiderkammer reichlich Sachspenden ab, die zum kleinen Preis verkauft werden an Ausländer und bedürftige Deutsche. Für den Erlös kauft die Kleiderkammer wiederum zusätzliche Ware wie Unterwäsche oder Schultornister. „und wenn man mal was anderes braucht, wird es im Kirchenblättchen geschrieben oder von der Kanzel gepredigt, dann klappt das auch“, sagt Annegret Ries. „Jeder, der hier ist, braucht erst mal Hilfe“

Die AIK-Aktiven unterscheiden nicht nach Nationalität, welche Asylchance die Ankommenden haben. „Jeder, der hier ist, braucht erst mal Hilfe. Was danach geschieht, liegt nicht in unseren Händen“, sagt Ries.

Zurzeit werden wieder Paten gesucht – vor allem für alleinstehende Flüchtlinge. Ries: „So viel geben und Zeit investieren, wie man kann, vielleicht einmal pro Woche“, reden, bei Schulkontakten helfen, zum Schwimmunterricht begleiten. Im Nutzgarten (seit 2017) am Loosenhof, Hauer Straße 13, kommen Menschen aus den Flüchtlingsunterkünften mit Bürgern in Bedburg-Hau in Kontakt.

Gesucht werden auch Nachhilfe für berufsbezogenes Deutsch in Handwerksberufen für ausländische Berufsschüler, etwa durch pensionierte Maler oder Elektroinstallateure. Gebraucht wird geschickte Hilfe in der Fahrradwerkstatt. Gesucht werden Wohnungen.

Zurzeit gibt es in Bedburg-Hau 104 Menschen mit SGB-II-Unterstützung und 66 geduldete Asylbewerber. Einige anerkannte Flüchtlinge haben auch Arbeit gefunden.

Die Gruppe AIK ist nach lokalen Auszeichnungen – Bedburg-Hauer Stele, Robin-Hood-Orden – jetzt auch unter den acht Nominierten für den Ehrenamtspreis des Flüchtlingsrates NRW.

Das Jubiläum wird am Freitag, 28. September, ab 16 Uhr gefeiert im Garten des Loosenhofs, Hauer Straße 13 in Bedburg-Hau. 16.30 Wortgottesdienst (Pastor John Paul Samala, Pastoralreferentin Brigitte Peerenboom), musikalisch gestaltet vom Jugendchor „colourful voice“ (Stefan Billen). Gartenfest 18 Uhr mit „KLEVOR“ (Thomas Ruffmann)

Der AIK nimmt mit der Gemeinde Bedburg-Hau auch an der bundesweiten Interkulturellen Woche teil: Dienstag, 25. September, 15 Uhr, Ausstellung von Illustrationen aus Deutschbüchern für Fremdsprachler (Jörg Saupe), Rathaus.

Mittwoch, 26. September, Handnäharbeiten mit Sechsecken und Flecht-Workshop (mit Andrea Kanter) ab 15 Uhr in der Nähstube, Nördlicher Rundweg 10.

Am Donnerstag, 27. September, 15 Uhr, Interkultureller Nachmittag im Rathaus, Asylfragen und -chancen in Bedburg-Hau.

Am Samstag, 29. September, Steinmetz-Workshop (Phillip Kreusch) ab 10 Uhr, Loosenhof.

 

 

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